Baukultur
Schweiz
Wir alle sind Teil der Baukultur. Wir prägen den gestalteten Lebensraum, und er prägt uns. Die Frage nach einer hohen Baukultur ist deshalb immer auch die Frage: «Wie wollen wir leben?» Und: «Wie lösen wir drängende gesellschaftliche Herausforderungen?»
Die Webplattform «Baukultur Schweiz» fördert das Gespräch über den gestalteten Lebensraum. Sie vernetzt Akteure von der lokalen bis zur internationalen Ebene und versteht sich als Podium für Wissen, Austausch und Inspiration.
Die Webplattform ist ein Projekt im Werden. Hinter «Baukultur Schweiz» stehen der 2010 ins Leben gerufene Runde Tisch Baukultur Schweiz, der Schweizerische Ingenieur- und Architektenverein (SIA) und das Bundesamt für Kultur (BAK).
In der Kerngruppe von «Baukultur Schweiz» wirken mit:
Claudia Schwalfenberg
Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein (SIA)
Leiterin Fachbereich Kernthemen
Verantwortliche Baukultur
Anne Pfeil
Bundesamt für Kultur (BAK)
Leitung Grundlagen und Projekte
Caspar Schärer
Bund Schweizer Architektinnen und Architekten (BSA-FAS)
Generalsekretär
Regula Steinmann
Schweizer Heimatschutz (SHS)
Leiterin Baukultur
Norbert Russi
EspaceSuisse
Team Siedlungsberatung
Patrick Schoeck-Ritschard
Bund Schweizer Landschaftsarchitekten und Landschaftsarchitektinnen (BSLA)
Geschäftsführer
Eveline Althaus
Archijeunes
Geschäftsführerin
Andrea Schaer
Nationale Informationsstelle zum Kulturerbe (NIKE)
Wissenschaftliche Mitarbeiterin Politik und Weiterbildung
Daniel Klos
Schweizerischer Ingenieur- und Architektenverein (SIA)
Fachspezialist Kernthemen, Baukultur und SIA-Masterpreise
Gibt es eine öffentliche Debatte über die Qualität des Ortes?
Der Obstmarkt ist das Herzstück von Herisau. Eingebettet zwischen Rathaus und Kirche ist er eine der grössten Freiflächen im Dorf. Als Kreuzungspunkt mehrerer Verkehrsachsen erfüllt er zudem eine wichtige Mobilitätsfunktion. Der Verkehr dominiert den Obstmarkt und nimmt ihm viel von seiner Attraktivität. Dies wird von der Bevölkerung bemängelt. Deshalb schreibt die Gemeinde 2020 einen Projektwettbewerb zur Nutzung, Sanierung und Neugestaltung des Obstmarktes aus, den BBZ Landschaftsarchitekten aus Bern und das Büro Dudler Raum- und Verkehrsplanung aus Biel gewinnen.
Ist der Ort verkehrsarm?
Seit Mitte der 1970er-Jahre nimmt der Verkehr im Zentrum von Herisau stark zu. Der Obstplatz vor dem Regierungsgebäude wird als Parkplatz genutzt. Mit der Umgestaltung des Obstmarktes und des Platzes vor der Kirche bis voraussichtlich 2026 soll der Dorfkern von Herisau wieder mehr zur Geltung kommen, indem der motorisierte Verkehr reduziert und die Parkplätze aufgehoben werden. Durch einen einheitlichen Bodenbelag und eine zurückgenommene Strassengestaltung wachsen die beiden Teile des Obstmarktes wieder zusammen.
Zeichnet sich der Ort durch eine dauerhafte Bauweise und wenig Unterhaltsbedarf aus?
Der neu gestaltete Obstmarkt soll seiner Bedeutung als historischer Marktplatz wieder gerecht und zu einem Ort der Begegnung, des Austausches und des Verweilens werden. Um dieses Ziel zu erreichen, sind keine tiefgreifenden Umbauten notwendig, sondern lediglich einige Verbesserungen im Bestand. So sollen zusätzliche Bäume gepflanzt und Sitzgelegenheiten ergänzt werden. Ausserdem wird überlegt, welche Materialien der vorhandenen Beläge – etwa Pflastersteine – wiederverwendet werden können.
Sind die Baumaterialien und Bauweisen langlebig, unterhaltsarm, werterhaltend oder sogar wertsteigernd?
Überlegungen zum Klimawandel wie zur Nachhaltigkeit insgesamt sind bei der Gestaltung von Plätzen heute zwingend erforderlich, damit sie langlebig und unterhaltsarm sind. Im innerstädtischen Bereich mit versiegelten Flächen und fehlender Begrünung entstehen Wärmeinseln, die sich tagsüber stärker aufheizen und nachts langsamer abkühlen. Diesem Effekt soll auf dem Obstmarkt und dem Platz vor der Kirche durch eine Pflasterung entgegengewirkt werden, die das Regenwasser versickern und später wieder verdunsten lässt. Zusätzlich sollen robuste und langlebige Bäume Schatten spenden und der Überhitzung entgegenwirken.
Gewährleistet der Ort Gleichberechtigung, Freiheit, Sicherheit und eine zuverlässige Existenzgrundlage?
Herisau liegt am Schnittpunkt der Verbindungsstrassen von St. Gallen ins Toggenburg und von Gossau nach Appenzell. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder mit dem Auto lässt sich in zehn Minuten das Zentrum von St. Gallen oder Gossau erreichen. Mit knapp 16 000 Einwohnerinnen und Einwohnern ist Herisau ein Ort zwischen Stadt und Dorf, eingebettet in die Hügellandschaft des Appenzellerlands.
Verbessert die zeitgenössische Gestaltung die Qualität des Bestehenden?
Die Altstadt von Herisau mit ihren traditionellen Häusern und engen Gassen weist hohe räumliche Qualitäten auf. Ab Mitte des 20. Jahrhunderts werden zunehmend historische Häuser und Gassen abgerissen, um Platz für Neubauten zu schaffen. Das Resultat davon findet sich heute auch am Obstmarkt. Die heutige Topografie und Gestaltung ist das Ergebnis unabhängig voneinander erfolgter Bautätigkeiten rund um den Platz. Durch die geplante sanfte Geländemodellierung soll künftig ein fliessender Raum entstehen, der alle Gebäude miteinander verbindet.
Verbessert die Qualität des Raums die Lebensqualität der Menschen?
Die Dorfkernsanierung in Herisau sieht verschiedene Massnahmen zur Verbesserung der Aufenthalts- und Lebensqualität im Zentrum vor. Dank der offenen, fliessenden Gestaltung ist der Platz für verschiedenste Anlässe und Bedürfnisse nutzbar und anpassbar. Die beiden Bushaltestellen rücken näher an den Obstmarkt und bieten mehr Platz für Wartende sowie Ein- und Aussteigende.
Hat der Ort eine stimmungsvolle Wirkung auf die Betrachtenden?
Herisau ist im Bundesinventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz von nationaler Bedeutung (ISOS) aufgeführt. Trotz der unmittelbaren Nähe zu einer grossen Agglomeration bewahrt Herisau ein eigenständiges Profil. Die heutige Anlage des Dorfkerns geht auf den Wiederaufbau nach dem Brand von 1606 zurück. Appenzeller Holzgiebelhäuser aus dem 17. und 18. Jahrhundert sowie Wohnbauten aus späteren Jahrhunderten prägen den Kern.